FESTGERITTEN ODER IN DIE SACKGASSE GERITTEN ...

Wie oft höre ich von Pferdebesitzer: „Mein Pferd kann nicht links angallopieren“ oder „Mein Pferd verwirft sich immer auf der rechten Hand“, „Mein Pferd braucht ein etwas härteres Gebiss“, „Mein Pferd geht am besten mit Schlaufzügeln“, „Mein Pferd muss mal lernen besser unterzutreten, es geht gegen die Hand“, „Mein Pferd ist faul, und daher die langen Sporen“, „Mein Pferd ist sehr schreckhaft, daher reite ich nur in der Reithalle“, „Mein Pferd ist sehr verspannt im Rücken, daher habe ich ihm jetzt ein weicheres Reitpad gekauft“, „Mein Pferd geht nicht rückwärts, ist total fest im Maul“ oder „Mein Pferd ist leider Zügellahm“. Ich kann nur sagen „Stopp!“

In den letzten dreißig Jahren habe ich mich ausgiebig mit dem Pferdeberitt und dem Pferdetraining beschäftigt. Es fing alles an, als ich noch klein war und ich mitansehen musste, wie Pferdebesitzer und Reitlehrer oft aufgrund von Missverständnissen zum sehr grenzwertigen Methoden griffen, um sich ihren „Pferdefreund“ untertänig zu machen. Ich wollte helfen, und so kam es, dass man mir schon mit sechs Jahren die sogenannten „bockigen kleinen Shettlands“ zum Korrekturreiten gab, wobei mir eines schnell klar wurde, nämlich das fast alle Probleme im Umgang mit Pferden und beim Reiten selbst, Menschengemacht sind. So sind die kleinen Shettlands nicht per se „bockig“ sie haben nur eine geringere Tolleranzgrenze was Ungerechtigkeiten und Schmerzen angeht, als die meisten Sport- und Großpferde heutzutage, was ich persönlich darauf zurückführe, dass die Rasse der Shettlands noch viel ursprünglicher ist, als die vollkommen überzüchteten Linien, die wir heute so kennen. So ist ein Mustang auch viel selbstbewusster als ein Hannoveraner und lässt sich nicht so viel gefallen, wie ein Hannoveraner, Oldenburger oder ein PRE, denn diese Rassen sind seit Jahrzehnten in eine Richtung gezüchtet worden. Nur die Exemplare, die sich den Menschen und ihren Machenschaften unterworfen haben, diejenigen Pferde, die sich trotz der oft mangelnden Sachkenntnisse der Menschen haben reiten lassen, wurden weiter gezüchtet und auch nur, wenn sie dabei auch noch schön und gesund, zahm und „gut“ zu reiten waren.

Pferde standen uns Menschen schon in etlichen Kriegen zur Seite, sie haben unsere Schlachten gefochten, sie haben uns getragen, bis sie vor Schwäche zusammen gebrochen sind, sie haben sich uns Menschen immer wieder angeboten, sich mit uns auseinander zu setzen und jeder weiß, wie grob die Methoden damals waren, wenn es darum ging, ein Pferd für den Kriegsdienst vorzubereiten. Das heißt, die Geschichte zeigt, dass man dem Pferd nicht vorwerfen kann, dass es nicht kooperieren wollte. Ganz im Gegenteil, das Pferd hat und hatte immer schon Interesse daran, sich mit dem Menschen zu verständigen und das obwohl die Geschichte auch zeigt, dass die Menschen meist (Ausnahmen bestätigen die Regel) nicht wirklich an Kommunikation interessiert waren, wohl aber daran, sich das Pferd untertan zu machen, sei es nun als Arbeits-, Kriegs-, oder Transport-Tier.

Die Methoden sind zwar inzwischen nicht mehr ganz so grausam, wie noch vor hundert Jahren, aber die Pferde haben immer noch das Problem, dass die Menschen von ihnen verlangen, so zu denken wie ein Mensch und so zu kommunizieren, wie ein Mensch, und das haben sie tatsächlich evolutiv noch nicht hinbekommen. Unsere Zeichen, Worte und Anforderungen machen für sie offensichtlich meist überhaupt keinen Sinn, aber kann man ihnen das tatsächlich vorwerfen? Wäre es nicht viel klüger, wenn wir Menschen uns bemühen würden, ihre Sprache zu erlernen, wenn wir versuchen würden, die Welt mal mit ihren Augen zu sehen, mit ihren Ohren zu hören, mit ihrer Nase zu riechen und ihrem Gehirn zu denken? Wie wäre es wohl, wenn wir uns tatsächlich in die Lage des Pferdes versetzen könnten? So dumm können sie ja nicht sein, denn Pferde untereinander können sich bestens verständigen und es kommt nie zu derartigen Missverständnissen, wie denen, die man ständig auf Reitplätzen zwischen Pferd und Reiter sieht. Sie sind sogar in der Lage, sich ohne Worte zu verständigen! Was wäre, wenn wir Menschen das auch lernen könnten? Vielleicht würden wir ja noch etwas von ihnen lernen können? Wäre es nicht schön, etwas empathischer zu sein, wäre es nicht wunderbar nur im Hier und Jetzt zu sein? Pferde sind nie nachtragend, sie wollen einfach nur eine Gute Zeit haben. Aber das fordern sie gar nicht von uns. Sie bemühen sich weiterhin uns Menschen zu verstehen und das aus meinen Augen mit einer Engels-Geduldt.

Was Pferde allerdings wahnsinnig macht, wenn sie nicht verstehen, was man von ihnen will und dann auch noch ungeduldig mit ihnen wird oder sie sogar physisch bestraft. Pferde gehen immer den Weg des geringsten Widerstandes und haben überhaupt kein Interesse sich mit uns Menschen zu streiten. Ganz im Gegenteil, ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es ihnen sogar zu gefallen scheint, sich mit unserer merkwürdigen Spezies Mensch, die wir nun mal sind, auseinander zu setzen, so lange wir uns nur ein bisschen Mühe geben uns mit ihnen zu verständigen. Was alles möglich wird, wenn wir tatsächlich lernen die Sprache der Pferd zu sprechen und uns in sie hineinzuversetzen ist dann aber ein ganz anderes paar Schuhe.

Denn sobald wir erkennen, dass wir Teil der Gleichung sind, wenn es darum geht, sich mit einem Pferd auseinander zusetzen, gehen wir tatsächlich in Kommunikation. Das ist dann der Moment, wo wir aufhören zu wollen, dass das Pferd einfach nur nach unserem Willen funktioniert. Es ist der Moment, wo wir uns plötzlich tatsächlich verstehen.

Und wer nun also das Gefühl hat, dass er mit seinem Pferd in eine Sackgasse geraten ist, wo scheinbar kein Ausweg besteht, wer sein Pferd festgeritten hat, wer denkt, dass er aus dieser Situation nicht mehr herauskommt, dem kann ich sagen: „Das stimmt nicht!“ Es ist nie zu spät anzufangen!“

Wie viele Pferde habe ich schon von verzweifelten Besitzer bekommen, die nicht mal mehr in der Lage waren, ihr Pferd aufzutrensen. All die Pferde, die sobald man nur die Zügel in die Hand nimmt, entweder lahm gehen, nur noch auf den Hinterbeinen stehen oder wie wahnsinnig den Kopf in die Luft reißen noch bevor man die Zügel überhaupt nur in die Hand nimmt. Die Pferde, die angeblich böse sind und beißen oder schlagen, und all die armen Wesen, die zittern, sobald ein Mensch in ihre Nähe kommt. Und alle haben sie verziehen, kein einziges Pferd hat sich geweigert sich auf eine neue Kommunikationsebene einzulassen. Ganz im Gegenteil, sie schienen einfach nur dankbar zu sein, wenn auch zunächst überrascht und etwas misstrauisch. Aber mit der richtigen Portion Geduld und Liebe, lässt sich jedes kommunikative Missverständnis zwischen Pferd und Reiter lösen, wenn der Mensch nur willens ist tatsächlich zu lernen sich mit seinem Freund dem Pferd zu verständigen.